Frank Zappa

By Ray Bonici

Musik Express, May 1979


Frank Zappa ist der häßlicllste‚ arroganteste, gröbste und unverschämteste Künstler, dem man als Journalist begegnen kann. Soweit nichts Neues, denn das ist überall nachzulesen. Ray Bonici traf sein Idol zum Interview in London und behauptet nun allerdings das Gegenteil.

ME: Du hast jetzt dein eigenes Label: Zappa Records. Wie verträgt sich das mit deinem CBS-Vertrag?

Zappa: Zappa Records wird in den USA und Kanada durch Phonogramm vertrieben, und CBS vertreibt die LP für den Rest der Welt. Wenn ich jetzt eine LP mit dem Geiger Shankar machen würde, würde sein Album in den Staaten auf Zappa Records und sonst auf Phonogram herauskommen. Die Kosten für die Aufnahmen trägt Phonogram und nicht CBS.

ME: Hast du dieses Label aufgemacht, um andere Künstler unter Vertrag nehmen zu können?

Zappa: Ja, ich habe zum Beispiel einen Vertrag mit L. Shankar von Shakti gemacht. Ich bin aber noch mit einer anderen Gruppe im Gespräch.

ME: Warner Brothers lassen dich noch immer nicht in Ruhe. Sie versuchen, die Veröffentlichung von "Sheik Yerbouti" durch eine Verfügung zu stoppen.

Zappa: Sollen sie! Ich kann dir ein gutes Beispiel für die Logik von Warner Brothers geben. Hier ist ein Exemplar von "Sleep Dirt". OK. Wenn du dir die Platten anschaust, wirst du sehen, daß das Cover überhaupt keine Informationen enthält; keine Autorenliste und keine Liste der Mitwirkenden. Diese Leute haben überhaupt kein Recht auf die Platte. Sie haben keine Veröffentlichungs-Rechte oder Anspruch auf Lizenzen. Sie verletzen das Copyright-Gesetz der USA.

ME: In anderen Worten: es handelt sich um ein Bootleg?

Zappa: Natürlich ist es ein Bootleg. Das ist die typische Art und Weise einer großen Firma, dir zu zeigen, daß sie mehr Rechtsanwälte haben als du. "Wenn du uns belangen willst, dann versuch es doch!''

ME: Du hast vier Platten abgeliefert, für die sie dich nicht bezahlt haben ("Live In New York", "Studio Tan", "Sleep Dirt" und "Orchestral Favorites"). Jetzt behaupten sie, daß du ihnen zwei weitere schuldest.

Zappa: Wie bitte? Sie verbreiten über Zeitungen, daß ich ihnen noch zwei weitere LPs schuldig bin? So geht es nicht! Ich habe meinen Vertrag erfüllt, der im Dezember 1978 ausgelaufen ist. Sie haben keinen Grund, noch mehr zu fordern und auch keine Veranlassung, weitere Platten zu veröffentlichen, weil sie keine Rechte an den: Material haben. Sie haben mir noch nicht einmal das Geld zurückgezahlt, das ich aus eigener Tasche hinlegte, um die Platten zu produzieren. Ich hab es vorgestreckt und sollte es zurückerhalten, wenn ich die Bänder ablieferte. Ich habe nicht einen Pfennig als Entschädigung erhalten und auch keine Tantiemen. Außerdem versuchten sie zu verhindern, daß ich meine Geschäfte mit anderen Firmen fortsetzte. Durch ihr Eingreifen platzten schon die Vertragsverhandlungen mit EMI. Jetzt versuchen sie sogar meinen Vertrag mit CBS zu hintertreiben.

Die Veröffentlichungen von "Sleep Dirt" haben sie fast so lange herausgezögert, bis CBS "Sheik Yerbouti" auf den Markt brachte. Sie warten, bis die CBS Anzeigen schaltet und schicken dann ihre Vertreter in die Läden, damit sie von diesem Durcheinander noch profitieren. Bevor sie "Orchestral Favourites" veröffentlichen, warten sie bestimmt bis CBS das nächste Album herausbringt. Sie wissen eben, daß sie im Vorteil sind. Gerichtsstand ist in Kalifornien, wo man mit den zahllosen Zivilverfahren so weit im Rückstand ist, daß es drei bis fünf Jahre dauert, bis man vor Gericht gehen kann. Warners stellen sich nun vor, daß ich innerhalb dieser Zeit völlig aus dem Geschäft und pleite bin. So meinen sie, können sie mich zwingen, klein beizugeben.

ME: Hast du inzwischen neue Musiker engagiert? Wer ist jetzt überhaupt in deiner Band?

Zappa: Der letzte, den ich bisher holte, ist Warren Cuccurollo. Bis auf ihn ist die Besetzung mit dem line-up identisch, das wir beim britischen Knebworth Festival hatten: Vince (dr), Arthur Barrow (bg), Peter Wolf und Tommy Mars an den Keyboards, Ed Mann (perc), Danny Walley (sl-g), Ike Willis (rg, ld-voc) und Warren als Sänger und gelegentlicher Leadgitarrist.

ME: Der einzige Musiker der positiv von dir sprach, war George Duke. Alle anderen, die mal in deiner Band waren, meinten, du seiest zu sehr auf Disziplin aus.

Zappa: Zunächst einmal sind Musiker ein notorisch undisziplinierter Haufen. Die meisten sind unheimlich faul, dumm und habgierig. Ich bin ja nicht nur der Komponist, sondern auch der Arbeitgeber. Ich bezahlte sie für ihren Job und muß zusehen, daß ich das Geld dafür hereinbekomme. Bevor ich jemanden einen Scheck gebe, will ich natürlich, daß er dafür etwas tut. Was ich verlange, ist eine akurate performance der Musik, die ich schreibe.

Es ist noch kein Musiker geboren worden, der nicht den Komponisten haßte. Weißt du warum? Weil sich jeder, der ein Instrument spielen kann, sagt: "Hey, ich kann wirklich spielen, was soll ich mit den Noten eines anderen?" Alle meinen, daß sie keine Komponisten nötig haben und so entsteht ein ständiger Kampf. Ich bin in einer schlechten Position, denn es hat noch keinen Angestellten gegeben, der seinen Boß mochte, und es gibt eben keinen Musiker, der den Komponisten ausstehen kann. So bin ich in jedem Fall der Bösewicht. Ich mach' mir nichts daraus. Ich bezahle nicht nur die Musiker,sondern die Crew das Studio und auch das Equipment. Die Leute bekommen ein Jahresgehalt, ganz gleich, ob sie arbeiten oder nicht. Es gab eine Zeit, da hatte ich zuhause nichts zu essen, weil ich sie alle zu bezahlen hatte. Darum kann ich nur sagen: "Fuck them." Sie sollten froh sein über diesen Job. Sie haben keine Ahnung, was ich anstellen muß, um ihr Gehalt zu sichern.

ME: Würdest du deine Musik lieber einmal von anderen Bands spielen lassen?

Zappa: Das größte Vergnügen für mich ist, Gitarre zu spielen. Und das ist schwer, solange du keine Musiker hast, die begreifen, was du tust, die das Konzept nicht durcheinanderbringen. Der Drummer, den ich jetzt habe, besitzt ein geradezu scharfsinniges Gespür für rhythmische Abgrenzungen. Auch Warren hat eine Vorstellung von dem, was ich mache. Er hört es und versteht es. Der Bassist hört es andeutungsweise. Die anderen, glaube ich, bekommen es nicht mit. Ich sage ihnen immer, sie sollen keinen Krach machen, oder einfach nicht spielen und mir nicht in die Quere kommen. Ich will meine Gitarre spielen, und danach, sage ich, bringt ihr diesen Song genauso, wie ich es euch gesagt habe. Ich meine, das ist dieselbe Form von Disziplin, die ein Dirigent von seinem Orchester verlangt. Wenn du keine Disziplin hast, bekommst du auch keine Struktur in die Musik, und das Publikum versteht dich nicht. Du könntest die besten Musiker der Welt auf die Bühne stellen. Wenn du sie alle zur selben Zeit spielen läßt, klingt es wie Scheiße.

ME: Glaubst du, daß deine Leute bislang immer eine zynische Einstellung zu dir und deiner Musik hatten?

Zappa: Oh, ich glaube, die meisten haßten es, für mich zu arbeiten. Aber sie liebten das Geld und die spotlights die auf der Bühne auf sie fielen, und den Beifall vom Publikum. Ich meine, daß die meisten gerne wieder in meine Band zurückkommen würden.

ME: Also ist es ein Privileg, in deiner Band zu spielen?

Zappa: Ich denke schon. Es ist die einzige Band, in der ein völlig unbekannter Musiker die Chance bekommt, einzusteigen. Stell dir mal vor, du seist Musiker und deine Lieblingsband hieße Led Zeppelin. Wie, glaubst du, stehen deine Chancen, mitzumachen? Nicht besonders gut, was? Aber ich höre mir jedes Jahr neue Leute an. Ich habe auf diesem Wege fantastische Musiker gefunden. So wie Warren, meinen Gitarristen, zum Beispiel, oder Vinnie und Ike.

ME: Was ist eigentlich aus dem Track "Punky's Whip" geworden, der ursprünglich auf "Live In New York" erscheinen sollte?

Zappa: Punky Meadows von Angel gab mir eine unterschriebene Freigabe für den Song. Sie war auf meinen Namen ausgestellt. Herb Cohen, mein früherer Manager, der ebenfalls in den Rechtsstreit mit Warner Bros. verwickelt ist, versuchte die Freigabe von Punky Meadows zu kaufen und bot ihm 2000 Dollar dafür. Aber Punky wollte das nicht. Warner Bros. bekamen Angst. Sie meinten, wenn sie den Song ohne ein Stück Papier von Punky veröffentlichten, könnte er sie später zur Rechenschaft ziehen, darum haben sie den Song wieder herausgeschnitten. Der Vertrag, den sie mit mir haben, gibt ihnen nicht das Recht, einfach Titel herauszuschneiden. Das betrifft auch "Sleep Dirt". Sie können nicht einfach das Material nach Belieben zusammenstellen oder die Reihenfolge der Titel ändern. Der ursprüngliche Titel war außerdem "Hot Rats 3", aber sie änderten ihn. Außerdem waren die Cover von "Sleep Dirt" und ""Studio Tan" beschissen. Ich hatte nichts damit zu tun.

ME: Da "Punky's Whip" wegfiel, wurde das Album ja auch erheblich kürzer als vorgesehen.

Zappa: Richtig. Ich war damals in London und in den Zeitungen schrieben sie: "Warum ist dieses Doppel-Album so teuer?" Weil es ja so kurz war – Warner hatten zwölf Minuten herausgeschnitten.

ME: Was hat es eigentlich mit deiner berühmten Zehnerkassette auf sich, über die immer gemunkelt wird?

Zappa: Sie existiert. Die Leute meinen, das sei nur so eine Phantasterei. Es handelt sich um Material von Studio Z und anderen Mothers-Aufnahmen. Ich sage dir, was damit passiert. Wenn du einen Deal mit einer Schallplattenfirma machst, dann triffst du eine Vereinbarung über eine Anzahl von Einheiten, die du in einer bestimmten Zeit ablieferst. Wenn du eine einfache LP ablieferst, so ist das eine Einheit. Ein Doppel-Album ist eine Einheit, ebenso ein TripleAlbum. Ein Vierer-Album ist noch immer eine Einheit, aber wenn du ein Zehnerset herausbringst. dann sollte das schon anders bewertet werden. Als ich Warner erklärte, daß ich dieses Album veröffentlichen wollte, wollten sie mir dasselbe zahlen wie für eine einzige LP, obwohl ich ihnen das Zehnfache zur Verfügung stellte. Findest du das fair? Sie würden es für 50 Dollar verkaufen und mich mit derselben Summe abspeisen, die ich für eine sechsoder sieben Dollar-LP bekäme. Meine neuen Verträge mit CBS und Phonogram schließen dieses Material jedoch aus. Wenn sie es nicht wollen, kann ich es noch immer einer anderen Firma anbieten. Vielleicht ist Virgin interessiert.

ME: Da alle Informationen über "Sleep Dirt" der Firmenpolitik zum Opfer gefallen sind, kannst du sie ja jetzt nachliefern. Auch über "Studio Tan". Wer sang alles bei "Greggery Peccary"?

Zappa: Ich bin der Erzähler bei "Greggery Peccary", bin Greggery, der Philosoph, und Billy the Mountain. George Duke mimte die Sekretärinnen und die Mädchen im Steno-Büro. Auf "Sleep Dirt" spielten George Duke, Bird Legs und Napoleon Murphy Brock.

ME: Hast du schonmal einen Gitarristen gehört, der dir ähnelte?

Zappa: Ja. Warren. Er ist der einzige. Er sitzt zuhause und lernt meine Gitarrensoli auswendig. Ich kann diese Soli nicht einmal mehr spielen. Auf der Bühne spielen wir "Andy" von "One Size Fits All" und er bringt das Solo Note für Note. Ich sitze nur da, und er spielt es. Ich könnte es gar nicht mehr.

ME: Du hast auf George Dukes Solo-Album "Feel" unter dem Pseudonym Obdewel'l X gespielt. Gibt es noch mehr solcher Ausflüge?

Zappa: Oh ja. Ich bin noch bekannt als LaMarr Bruister (lacht) [1]. Als George Duke's Platte herauskam, rief ihn Phil Walden, der Boß von Capricorn an und fragte, ob dieser Gitarrist, dieser Obdewl'l X, auch singen könne. Sie seien daran interessiert, ihn unter Vertrag zu nehmen. George sagte ihm, daß Obdewl zur Zeit nicht im lande sei.

ME: Man wirft dir vor, daß du eigentlich nur noch wegen des Geldes dabei bist.

Zappa: Das zeigt doch nur, welchen Sinn für Humor man hier hat. Ich habe 1967 ein Album mit dem Titel "We're Only In It For The Money" veröffentlicht. Das Cover zeigte ein paar Leute, die so kaputt aussahen, daß man kaum annehmen konnte, sie seien freiwillig nur für Geld in diesem Zustand. Seitdem heißt es, ich habe doch selbst gesagt, ich würde nur noch des Geldes wegen Musik machen. Ich meine, das Cover war ein so offensichtlicher Spaß. Wenn ich nur noch auf Geld scharf wäre, würde ich lieber ständig andere Gruppen produzieren. Da kannst du auf leichterem Wege reich werden. Ich hab immer so zwischen 20 und 30 Leute zu bezahlen. Würde ich denn so weiterarbeiten, wenn ich nur an die Kohle denken würde?


1. LaMarr Bruister pseudonym was used by Frank Zappa on Lucille Has Messed My Mind Up, the 2nd album by Jeff Simmons.

Read by OCR software. If you spot errors, let me know afka (at) afka.net