"Ich habe mit allen möglichen Leuten Ärger"
By Matthias Inhoffen
Er komponiert schwer zugängliche Orchesterwerke, behandelt seine Kollegen schroff und macht sich das leben so schwer, wie es nur irgend geht. Mit seiner Musik will Frank Zappa allerdings in erster Linie unterhalten.
stereoplay: Deine letzten LPs sind alle niemlich sang- und klanglos beim Publikum durchgefallen. Was muß eigentlich passieren, dami1 die neue, "Them Or Us", ein Hit wird?
Zappa: Nun, viel1eicht macht das Radio diesmal mit. Ein paar geeignete Songs sind schon drauf, "In France" oder "Be In My Video". So ein Erfolg ist aber auch trügerisch. Ich hatte meinen größten Hit vor ein paar Jahren mit "Bobby Brown". Da kamen Leute in meine Konzerte, die nur diesen Song kannten. Sie waren teilweise ganz schön geschockt, als sie den Rest gehört haben.
stereoplay: Du setzt immer noch aur kunterbunten Stilmischmasch.
Zappa: Ja, ich mag Abwechslung, Die meisten Rockplatten heute sind so stupide – alle Titel klingen ähnlich. Aber es gibt zum Glück auch noch Leute, die sich freuen, wenn man am Anfang eines Songs nicht gleich erkennen kann, wie er aufhört.
stereoplay: Wirst du nicht langsam deiner Rolle als Ober-Parodist im Rockgeschäft müde?
Zappa: Oh nein, Parodien sind meine Stärke, und so lange, wie es haarsträubende Dinge in den Zeitungen zu lesen gibt, bin ich mit einer Parodie zur Stelle.
stereoplay: Wo holst du dir deine Themen her?
Zappa: Ich brauche nur zu Hause in Los Angeles die Fernsehnachrichten einzuschalten, und schon habe ich das Material für drei Songs beisammen.
stereoplay: Du hältst dich also meist an die Medien?
Zappa: Die besten Themen sind die, die Millionen Menschen vertraut sind, mit denen sie nur Anhieb etwas assoziieren. Das wenigste nehme ich aus meiner persönlichen Erfahrung. Ich bin nicht daran imeressiert, die große Welt mit meinen Problemen zu belästigen. Ich will die Leute lieber un1erhalten.
stereoplay: Du begibst dich seit einiger Zeit auf ein neues musikalisches Feld – du nimmst Werke für große Orchester auf.
Zappa: Im Studio war ich mit diesen Sachen erst in den letzten zwei Jahren, komponiert habe ich sie immer mal zwischendurch. Mein erstes Orchesterstück habe ich schon mit 14 geschrieben, meinen ersten Rock 'n' Roll-Song dagegen mit 21.
stereoplay: Warum hast du diese Stücke erst jetzt aufgenommen?
Zappa: Ich mußte alles selber bezahlen, und es dauerte eine Weile, bis ich das nötige Geld zusammengespart hatte. Ich bin die Person, die für alle Kosten aufkommt. Das bedeutet auch, daß ich unabhängig bin und niemand in meine Arbeit dreinreden kann.
stereoplay: War es denn dermaßen schwierig, das Geld aufzubringen?
Zappa: Weißt du, was eine Produktion mit dem London Symphony Orchestra kostet? 300 000 Dollar. Da gehört die Einstellung dazu: "So, jetzt habe ich das Geld und bin bereit es in die Toilette zu werfen und runterzuspülen." Die Platte jedenfalls bringt es nicht wieder ein.
stereoplay: Aber die Einstellung hast du?
Zappa: Ja, ich bin so verrückt.
stereoplay: Arbeitest du gern mit einem Orchester?
Zappa: In Zukunft werde ich fast nur mit dem Computer arbeiten. Der macht keine Fehler und spielt exakt das, was ich von ihm erwarte.
stereoplay: Spontane Reaktionen von Musikern magst du nicht?
Zappa: Es gibt Dinge, die für einen Menschen zu kompliziert sind und viel zu viel Zeit und Geld kosten, es ihm beizubringen. Anders im Rock: Die Fans finden es toll, wenn lebendige, spontane Musiker auf der Bühne stehen. Bloß – um den Eindruck zu erwekken, daß du spontan bist, mußt du ganz schön lange üben.
stereoplay: Deine jetzige Gruppe ist für deine Verhältnisse sehr lang zusammen.
Zappa: Ja, ein Glücksfall. Die gehen mit mir durch dick und dünn. Wir spielen bei Regen, bei Schnee, immer. Bei uns gibt es keine Schnösel, die an einem saumäßigen Auftrittsort sagen: "Das ist unter meiner Würde, hier spiele ich nicht." Wenn die Zuhörer in der Kälte stehen und frieren, müssen wir erst recht eine großartige Show bringen – schließlich ehren uns die Besucher durch ihr Kommen.
stereoplay: Magst du Computer-Pop?
Zappa: Ich habe einen völlig anderen Ansatz als die heutigen Elektronikgruppen, ich benutze den Computer als Ersatz für natürliche instrumente in schwierigen Partien. Die Musik, die nach Computern klingt, spricht mich nicht an. Da höre ich lieber Chopin.
stereoplay: In deinen Stükken finden sich viele Einflüsse von schwarzer Musik.
Zappa: Ja, ich mag schwarze Musik. Bloß, die zeitgenössische Black Music kommt mir nicht sehr schwarz vor, die neigt mehr in Richtung beige.
stereoplay: Was mißfällt dir daran?
Zappa: Ich mag Musiker wie Muddy Waters, die beim Singen den Eindruck erwecken, daß sie auch an das glauben, was sie singen. Das kann ich bei der heutigen schwarzen Musik nicht finden. Da geht es immer um dieselben Sachen . . . tanz mit mir, ich bumse ganz toll mit dir, wenn du mit mir nach Hause gehst . . . Das hat mit Musik nichts zu tun, das ist kalkuliert, ein reines Marktprodukt.
stereoplay: Du hast viel Ärger mit der Musikindustrie.
Zappa: Ich habe Ärger mit allen möglichen Leuten. lch bin einfach der Typ, der andere vor den Kopf stößt. Aber das ist deren Problem. Ich will bloß in Ruhe arbeiten.
stereoplay: Vorhin hast du gesagt, mit deiner Arbeit willst du in erster Linie unterhalten.
Zappa: Platten zu machen ist kein Zuckerlecken – der Spaß ist für die Leute, die sie hören.
stereoplay: Aber wenn es eine derart harte Plackerei ist, warum arbeitest du dann so schrecklich viel?
Zappa: Sehen wir es doch realistisch. Das ist immer noch viel angenehmer, als in einem Sägewerk zu schuften.
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