Zappa per Zufall
By Illona Müller
„Nein, er gibt in der Regel keine Einzelinterviews“, erklärte der Tourneepromoter. „Interviewtermine sind während der Tournee schwierig zu bekommen“, meinte die Plattenfirma. „Auf eigene Faust stehen die Chancen 1:1000…“, warnten Bühnen-Roadies, die „live“ miterlebten, wie sogar ein ZDF-„Aspekte“-Team an der Lustlosigkeit des scheuen Musikers scheiterte. Illona Müller schaffte es dennoch, mit Frank ins Gespräch zu kommen. Nach dessen Auftritt in Würzburg erlebte die HOLLYWOOD-Korrespondentin statt eines bissig-bösen Journalistenkillers ein überaus gesprächiges PR-Genie.
Ich las in einem Bericht, Du würdest musikstilistisch alles ausprobieren, nur eines nicht – Country-and-Westen-Music. Warum hast Du dann in Deiner Show vorhin viermal „Ring Of Fire“ gespielt?
FRANK ZAPPA: Weil ich eigentlich unbedingt JOHNNY CASH auf die Bühne holen wollte. Ich traf ihn im Hotel in Frankfurt. Da dachte ich: Frank, diese Chance kannst du dir nicht entgegen lassen. Cash mit Zappa „live on Stage“ – da wären nicht nur Welten, sondern Kosmen aufeinandergetroffen. Es wäre ein Wohnsinns-Spaß für das Publikum gewesen. Wir halten „Ring Of Fire“ beim Soundtrack geprobt. Als Johnny schließlich – übrigens unentschuldigt – nicht kam, spielten wir notgedrungen ohne ihm.
Aber Deine Versionen von „Ring Of Fire“ klangen doch stark nach Persiflage. Das hätte Cash doch sicher brüskiert.
ZAPPA: Wenn er da gewesen wäre, hätten sie sicher besser geklungen. Authentischer, Echter. Und damit erst recht verarschend.
Du bist bekannt dafür, spontane Ideen gleich auf der Bühne zu verwirklichen. Dein Konzertprogramm variiert ständig. Wie schaffst Du es, Deiner elfköpfigen Band klarzumachen, was Du willst?
ZAPPA: Wir haben unsere Geheimcodes auf der Bühne. Dies zum Beispiel {reckt den kleinen Finger und den Zeigefinger aus der geschlossenen Faust} heißt, jetzt machen wir einen Rhythmuswechsel in einen 11/8-Takt ... (Grinst)
So einfach geht das ja wohl auch nicht bei diesem Riesenrepertoire, das Du inzwischen hast. Aber kommen wir zum Inhalt Deiner Songs. „I’m The Walrus“ ist auf TV-Prediger a la Jim Bakker gemünzt. Stört Dich eigentlich deren Doppelmoral oder die Tatsache, dass sie religiös sind?
ZAPPA: Beides. Ich hasse jegliche Art von religiösem Fanatismus. Und wenn man den auch noch schürt, um sich selbst zu bereichern, ist das um so schlimmer. Das ist doch alles so verlogen. Ich wette, dass jeder Prediger, der in den USA seinen Schäfchen beibringt, „Du sollst in Gottes Namen ja nicht Geschlechtsverkehr ausüben, um Spaß daran zu haben“, selbst seine Sex-Gespielinnen hat. Und jetzt haben die Prediger auch noch ein ganz tolles Argumentationsvehikel: Die Angst vor Aids. In den USA ist es wirklich schlimm mit der ganzen Religionssucht. Das fängt schon bei den Jungen an. Schau dir nur mal Bands wie Stryper an. Die Jungs sehen so blendend aus, dass jedes Mädchen gleich feuchte Augen und Höschen kriegt. Dass die dann etwas von Keuschheit und Gott erzählen, ist schon übel genug. Dass sich dann aber ein Millionenpublikum junger Rockfans verarschen lässt, ist wirklich der Hohn der Ironie.
Woran glaubst Du dann?
ZAPPA: An die Macht des Geistes. Und die des Geldes.
In welchem Sinne?
ZAPPA: In einem durchaus positiven Sinne. Man nehme zum Beispiel den Handel, Die Wirtschaft. Leute, die miteinander Handel betreiben, werden sich nie bekriegen. Und Länder erst recht nicht. Aber bei religiösem Fanatismus sind die Menschen nicht mehr zu kontrollieren. Im Iran gehen die aufgestachelten Soldanten für Ihren Glauben sogar „freudig“ in den Tod.
Doch wie verhält sich Geld als kriegsverhütendes Element in Bezug auf die beiden Supermächte?
ZAPPA: Gorbatschow zum Beispiel weiß, dass die USA und der Westen einen attraktiven Markt darstellen, deshalb sucht er auch die Annäherung. Die Japaner würden nie die USA angreifen – an wen sollen sie sonst ihre geschmacklosen Blechschleudern loswerden. Und so geht es weiter. Je mehr gegenseitige Abhängigkeit in wirtschaftlichen Bereichen, desto mehr Sicherheit für die Welt ...
Aber schließlich gibt es auch noch weltanschauliche Unterschiede. Gravierende Unterschiede zwischen Kommunismus und amerikanischem Kapitalismus lassen sich ja so schnell nicht wegdiskutieren. Geschweige denn wegbezahlen ...
ZAPPA: So groß sind die Unterschiede nicht. Im Grunde hat der gute Gorbi längst erkannt, dass der Kommunismus in den wirtschaftlichen Bereich total versagt hat und keine Chance hat, zu überleben. Er kann es nur {noch} nicht zugeben. Der Mann sucht die totale Annäherung an den Westen. Der Abzug aus Afghanistan ist das beste Beispiel dafür: Das ist eine typische PR-Aktion. Was der Mann braucht, ist ein guter PR-Manager. Denn er muss noch mehr tun.
Und was zum Beispiel?
ZAPPA: Die Berliner Mauer muss weg. Und er, Gorbatschow, muss dafür sorgen. Er hat doch nichts zu verlieren. Mein Gott, die 1000 DDRler, die zu euch kommen würden, machen den Braten doch nicht fett. Aber die Sowjets hätten die optimale PR. Natürlich muss der Zeitpunkt richtig getrimmt sein, das Ganze richtig organisiert werden. Ich habe da schon konkrete Vorstellungen. Zum Beispiel ein achttägiges Kulturfestival innerhalb von ganz Berlin – mit Musik, Kunst und Spaß. Alle wichtigen Außenminister wären eingeladen – und am letzten Tag wird die Mauer eingerissen – die Ziegel könnten zu einem Großkunstwerk verwendet werden.
Was wäre Deiner Meinung nach das richtige Timing?
ZAPPA: Im Mai nächsten Jahres. Da könnte sich dann nicht ein zukünftiger US-Präsident Bush die Aktion als seinen Erfolg aufs Revers schmieren.
Und Zappa würde das Ganze organisieren.
ZAPPA: Nicht unbedingt. Aber ich bin wirklich optimistisch, dass, wenn ich Gelegenheit hätte, mit Herrn Gorbatschow zu sprechen, die Sache durchaus klappen könnte. Doch auch finde ich den Mann und sein Land interessant.
Hast Du eigentlich schon mal versucht, in der UdSSR zu spielen?
ZAPPA: Nein, nie. Die zahlen zu schlecht oder gar nicht. Ich brauche keinen Weizen oder Krimsekt, meine Band und das Equipment kosten mich im Monat lockere 500,000 Dollar. Da kann ich mir keine Mätzchen leisten.
Genug politisiert. Wie ist eigentlich Dein augenblickliches Verhältnis zu Womens Lib, der streng konservativen Frauenbewegung in den USA.
ZAPPA: Es gibt kein Verhältnis. Mein Gott, ich finde ja einige Dinge nicht schlecht, die sie vertreten. Doch die Art, wie sie ihre Anliegen verkaufen, ist absolut indiskutabel. Dieses Gekeife, diese schrillen Klänge. Es ist der Ton, der die Musik macht. Sie sollten sich besser verkaufen. Vielleicht mit Musik. Da geht alles besser. Im übrigen verweise ich auf einen Titel meiner aktuellen LP „Guitar“. Der heißt: „Sexual Harassment in The Workplace“ ...
Apropos Sex. Was würdest Du Deinem Sohn raten, um sich vor AIDS zu schützen – Enthaltsamkeit?
ZAPPA: Natürlich nicht. Aids ist in den USA das am hysterischsten diskutierte Thema. Da sind wir wieder bei meinem Predigern: „Aids ist das beste Vehikel für die TV-Pfarrer. Jetzt können sie ihre Forderungen nach sexueller Enthaltsamkeit gleich mit einer furchtbaren Krankheit legitimieren. Ganz nach dem Motto: „Seht ihr – sowas kommt von sowas. Und Aids ist die gerechte Strafe Gottes.“ Dabei trifft diese Hysterie gerade die Jugendlichen am härtesten und eigentlich ungerechtfertigt. Denn schau dir mal die Zahlen an: Zwischen 15 und 20 hat in den USA kaum einer Aids. Die meisten Fälle sind zwischen 30 und 40 Jahren. In den USA ist man auf dem besten Wege, sich total verklemmten Nachwuchs heranzuzüchten. Klar, würde ich zur Vorsicht raten. Man soll darüber reden. Kondome verwenden. Aber nicht in Panik verfallen ...
Bleibt doch die Frage nach Deinem Sohn Dweezil: Wie findest Du seine LP?
ZAPPA: Nicht schlecht. Wirklich beachtenswert. Sein Gitarrenspiel ist erstaunlich virtuos. Nur sein Gesang, der ist nicht mein Ding.
Gibt es etwas, das Du HOLLYWOOD-Lesern noch sagen wolltest?
ZAPPA: Na klar. Hooray for HOLLYWOOD und vergesst nicht, zu wählen ...
Wie Sohn Dweezil über seinen Vater Frank Zappa denkt, erfahren Sie auf Seite 16.
This interview was later reprinted in Penthouse, September 1988.