Zappa's Privat Night

By Richard L. Wagner

S!A!U!, #3 1978


Offiziel angekündigt war gar nichts. Aber was ich dann nachmittags im "Capri" alles erfuhr war wirklich ganz schön viel. Einer sagt: "Wißt ihr schon, Zappa probt im Kronebau heut nacht!" Inge stöhnt: "Mein Gott, weiß der das auch schon!" Ein Anderer sagt: "Komm, hier spricht sich doch immer alles gleich rum!" Ich frage Ingeborg: "Gehst du dahin, zum Zappa?" Ingeborg sagt: "Nein, bei mir wird sowas immer gleich zu arbeit. Ich fahre morgen in Urlaub!" "Gut!" sage ich, zahle meinen Cafe und mach mich auf den weg zum Appartement, wo ich mit Denise und Uwe verabredet bin.

"Wer ist Zappa?" überlege ich mir, während ich am "Marmorhaus" vorbeilaufe, diesem Kinosupermarkt, woch fast jedesmal für überhöhte eintrittspreise schlechte, spekulative FICKFILME auf leinwänden sehe, die etwa zweimal so groß sind wie ein bett-tuch. Also Zappa. Zum erstenmal hab ich ihn natürlich auf dem Clo gesehen. Dieses sensationelle plakat, das in den siebziger jahren garantiert an jeder Clotür in wohngemeinschaften und sonstwo hing. Dann hab ich noch ein paar platten von ihm bei freunden gehört. "Sei mein Sofa" oder so singt er. Das war's.

Ich bin im Appartement und Denise kommt, die mal wieder was wirklich heißes erleben will und dann kommt Uwe, der Zappa photographieren will. Wir setzen uns in seinen VW und rasen durch die graue stadt, höhren aus dem Casettenrecorder irgendeine neue NEWWAVE Musik und kommen dann an, am Kronebau.

Der nebeneingang ist offen, also gehen wir rein. Uli Schramm, der Zappa's Privat Performance für die Abendschau mitdreht, gibt uns aufkleber, die unser DASEIN legitimieren. Dann redet er wegen den Photos noch mit Uwe und geht zurück in die Arena, wo Zappa steht und die ganzen Musikinstrumente aufgebaut sind. Denise sagt: "Ich geh mal und setz mich hin!" Sie verschwindet in den leeren zuschauerreihen. Ich bleibe stehen und schau mir alles an. Wo gibts hier Bier? Brummbär kommt vorbei und nimmt sich Cafe aus der MacDonalds Tüte, die auf einem Tisch steht. Dann geht er irgendwo hin. Ich schau in der tüte nach Bier. Ist keins drin. Ich überlege, was ich machen soll.

Dann kommt er. Aber nicht Zappa, der will nichts von mir. Sein Leibwächter kommt, der aussieht wie die hauptrolle in einer Wagneroper. Der Leibwächter ist etwa zwei meter zehn hoch und an den schultern breiter als die eingangstür zu meinem Appartement. Er kommt auf mich zu! Gelaufen! "Schluck Schock!" würde Mickey Mouse bei seinem anblick sagen. Er stellt sich vor mir auf, und brüllt in einem sehr vernachlässigtem englischauf mich ein.

Nachdem ich nicht reagiere, reißt er mir den Legitimationsaufkleber von der jacke. "Schluck Schock!" Meine erste reportage endet tödlich für mich. Denke ich. Eine etwas schmächtigere Leibwächterausführung kommt auf mich zu und fängt auch an zu brüllen. Aber ihn kann ich wenigstens verstehen. "Put it there! Put it there!" schreit er, deutet auf den aufkleber und dann auf mein hosenbein. Oberschenkel. Der zwei meter zehn Leibwächter fetzt mir den aufkleber zurück in die hand und ich kleb ihn an mein hosenbein. Zehn jahre schulausbildunq zu absoluten gehorsamkeit haben also doch was genutzt, meine lehrer würden sich freuen, das zu wissen. Sigmund Freud sagt es gibt einengeburtsschock. Das eben war mein zweiter. Um einem dritten aus dem weg zu gehen, setze ich mich neben Denise in die zuschauerreihen.

Denise sagt: "Weißt du, die haben mir angeboten ich soll mit nacktem oberkörper neben Zappa stehen und singen. Aber ich machs nicht." Ich erzähle ihr, was unten im eingang passiert ist, mit den leibwächter und mir. "Das ist, wie auf eine party eingeladen werden und kaum ist man in der wohnung da bekommt man einen kinnhaken, das man sein leben lang lispelt." sage ich. Denise sagt: "Also der gefällt mir nicht, da ist mir der Jagger schon lieber." Uwe kommt die treppe zu unserer sitzreihe hoch, die kamera in der hand und den aufkleber zehn zentimeter über dem knie. Er bleibt stehen, macht ein photo von uns und geht zurück in die arena.

Zappa hat inzwischen sein langes, offenes haar zu einem pferdeschwanz zusammengebunden und stimmt seine elektrische gitarre. Und dann kommen sie, die ersten drei worte duch die verstärkeranlage: "Test, Test, Test!" Es ist zehn minuten nach acht. Er spielt ein bischen weiter, die sieben musiker die ihn begleiten stimmen auch ihre instrumente. Dann sagt Zappa "Soundcheck!" Und es kommt Wah Wah bis zur verzweiflung. WAH! WAH! WAH! Was ich toller finde: Kurz und Bündig Rock'n Roll.

Gegen halb neun sagte Zappa: "Two One Check, Check!" Bis jetzt hat er schon mehr als eine stunde allein für den Soundcheck gebraucht. Das ist Perfektion. Fast schon deutsche wertarbeit. Ich denke mir eine blödsinnige überschrift für die geschichte aus: Karajan für Woodstockfans." Zappa sagt wieder was, aber ich kanns nicht verstehen.

Der Kronebau ist bis auf fünfzig leute völlig leer und die akustik ist hier oben, wor wir sitzen, fürchterlich. Und dann mein angestaubtes Mittelschulenglisch und sein Slang. Wärend die musiker unten in der arena ihre geräte stimmen, (immer noch) stellen die Filmleute überall scheinwerfer und kameras und tongeräte auf. Ein Roadie hüpft in den gebündelten Lichtstrahl eines scheinwerfers und macht Zappa nach. Etwa zehn sekunden lang.

Zappa steht inzwischen ohne gitarre da und deutet den musikern ihre einsätze an. Er trägt immer noch die gleiche gelbliche hose im Post-Gatsby-Schnitt, die er auch schon bei seinem auftritt in Ulm an hatte. Aber die bügelfalte ist inzwischen weg. Ich habe auch mal so eine hose gehabt, dann aber die seitentasche abgetrennt und blutrot gefärbt. Dann bin ich mal im "Cadore" mit der hose an einem stuhl hängen geblieben, und davon hat sie einen fürchterlichen langen riss bekommen. "Die kann man aber nicht mehr flicken!" hat jemand gesagt, der was davon verstehen muß. Dann eben nicht.

Zappa's Gitarrre hängt wieder an seiner schulter und die Band probt ein neues stück. Sie spielen die Introduktion an und werden gleich von Zappa unterbrochen. "No, No, No, play it a little mor like this: Da Da Ba baDa Da Ba Ba , Okay!" Sagt er. Ich sehe den leibwächter und erinnere mich. Siebenmal oder so spielen sie das gleiche thema aus dem lied, jedesmal nur um eine Variante verändert. Aber so ganz zufrieden ist Zappa immer noch nicht. Sie proben weiter. Er ist ein perverser perfektionist. Er macht mich wahnsinnig. Denise sagt: "Das is aber nicht so heißt" und sieht mich an, als ob ich was dafür könnte. Aber die Musiker scheinen die endlosen wiederholungen nicht zu stören. Entweder, weil sie musiker sind, oder sie haben sich schon dran gewöhnt. Uli Schramm, sitzt etwas nervös da und zeigt einem amerikanischen kaugummi, was gute, deutsche zähne aus ihm machen können. Denise sagt wieder was: "Den Uli, den hab ich noch nie Kaugummis kauen sehen!" Vielleicht ist er nervös!" sage ich und schreibe dann unseren kurzen dialog auf.

Zappa scheint mit dem proben bis zu einem gewissen punkt gekommen zu sein. Er kündigt ein lied an, soweit ich verstehe, handelt es von einem der ins Clo fällt und dann beim pissen schmerzen hat und dann nach zehn jahren wieder rauskommt und der frägt dann jemand: "Why does it hurt, when I pee?" "Und weil wir so großartig sind," sagt Zappa "Haben wir ein meisterwerk aus dieser einfachen geschichte gemacht." Gut, ich weiß, der geschichte geht irgendwie eine pointe ab, aber: Die Akustik! Mein mittelschulenglisch!

Irgendwie muß mir also die pointe entgangen sein. Dann setzt der Song ein, brüllend laut, als ob die leute im Fernsehturmrestaurant auch noch was Hören sollen. Denise beugt sich zu mir und schreit in mein Ohr: "Mir is Kalt!" Ich nicke und schreie, mir is auch kalt und ich hab hunger. Ein kameramann kniet vor Zappa in der Arene und schleckt sich mit dem objektiv an dem gitarrenhals entlang auf Zappa's SPIELENDE HAND! Die kamera deutet auf sein gesicht, und Zappa, ganz routinierter showstar hält erstmals seine hand aufs objektiv und zeigt den Bayerischen fernsehzuschauern das seine fingernägel sauber sind und das sie jetzt keine angst mehr vor ihm haben müssen. Die revolte hat sich verlaufen. Irgendwann treten Zappa and the mothers of invention einen abend lang mit James Last und seiner ZDF Big Band Live mit ihren neuesten liedern in Wim Thoelkes "Der Große Preis" auf! Werden dann begeisterte zuschriften bekommen.

Zappa und Band spielen immer noch den song über den mann mit der vorhautverengung und sie spielen jetzt sehr klar und man kann jedes instrument heraushöhren weil man sich an die lautstärke gewöhnt hat. Der kameramann scheint mit den aufnahmen zufrieden zu sein er sitzt am rand der arena und spricht mit Uli Schramm.

Denise sagt: "Gehen Wir jetzt bald? Ich friere wir1ich." "Lass uns noch ein lied anschauen und dann ... " sage ich. Das nächste lied ist kein lied, sondern ein instrumentalstück, das ohne ankündigung plötzlich beginnt, die Töne und melodien klingen als wären sie von dem etwas betrunkenen stockhausen gemeinsam mit einem wahnsinnigen komponisten für amerikanische Krimiserienmusik komponiert worden. Zappa spielt nicht mit, sondern dirigiert seine musiker mit einem dünnen stöckchen. Manchmal benutzt er auch kopf oder Körperbewegungen um einen einsatz anzuzeigen. Das geschieht sehr exakt, fast robotartig und mechanisch. Gut ist, das diese formale glatte nur in der musik und nicht in den texten stattfindet. Seine lieder sind noch ganz Oralparadiesisch und reizvoll undogmatisch. Immer mehr verstehe ich, warum aus Frank Zappa ZAPPA geworden ist. Aber Denise läßt das so kalt wie die luft im Kronebau und mein hunger wird auch nicht weniger. Wir verlassen zappa, stehlen uns um den leibwächter rum und gehen durch den ausgang. Draußen ZAPPEl ich mir die kälte aus dem körper und dann fahren wir ins Capri.