Frank Zappa

Christian Pleister

Max, April 1992


Seine gekräuselten, langen Haare sind mit grauen Strähnen durchzogen. Über der dunklen, verwaschenen Jogginghose wölbt sich ein kleines Spitzbäuchlein. Auch an Francis Vincent (kurz: Frank) Zappa, 51, sind die wilden Jahre nicht spurlos vorübergegangen, denke ich, als wir uns auf den Sofa seines Air-Condition-gekühlten, düsteren Studios gegenübersitzen.

Doch dann spricht Zappa über Amerikas Politik, über Bush und den Golfkrieg, über das Musikbusiness und MTV – und seine geröteten Augen blitzen durch die kleine Hornbrille auf seiner riesigen Italo-Nase. Der Rock-Rebell Frank Zappa (59 Platten, darunter Hits wie "Bobby Brown" und "Dancin' Fool") steckt noch immer voller Wut, und noch immer liebt er die Provokation. Zappa – Amerikas verlorener Sohn, ewiges schwarzes Schaf. Mit 16 steckte er einen Trakt seiner High-School in Brand. Als Frontman der Mothers of Invention ließ er in den 60ern auf der Bühne die Hosen runter, bombardierte seine Fans mit Verbal-Fäkalien oder auch schon mal mit faulen Tomaten. Noch berühmter machte den Pop-Artisten ein Poster, das ihn als kostümierten Schmuddelkönig auf einer Kloschüssel zeigt.

Eigentlich wollte Frank Zappa ja dieses Jahr als US-Präsidentschaftskandidat antreten."Ein Plan, den ich wegen meiner Krankheit zurückstellen musste." Viel mehr will er nicht sagen zu dem Krebs, den Ärzte vor einem halben Jahr in seiner Prostata diagnostizierten. "Er bekämpft die Krankheit erfolgreich", unterstreicht seine 24jährige Tochter Moon Unit.

Warum wollte er bloß kandidieren? "Um dieses Land aus der großen Scheiße herauszuholen, in die es solche faschistischen Kriegstreiber wie Bush und Reagan gebracht haben." Zappas grau-grüne Augen funkeln aus dunklen Höhlen: "Die Wirtschaft ist am Boden, das Sozialsystem ist verrottet. Aber die Leute haben bei der nächsten Wahl wieder mal keine Alternative. Denn die Kandidaten der Demokraten sind karrieregeile Niemands. Ich dagegen repräsentatiere das andere Amerika, die 50% Nichtwähler, die George Bush und sein Nazi-Gerede von einer neuen Welt satt haben."

Dabei ist Zappa heute selbst etabliert, wohnt in einer weiträumigen Villa auf einem der schicken Hügel Hollywoods. Vorm Haus stehen drei neue BMW. "Natürlich geht es mir ganz gut. Aber ich gehöre nicht zu den Superreichen", sagt er dazu.

Zappa verbringt die meiste Zeit, vor allem die Nächte, in seinem High-Tech-Studio: Ein riesiges Mischpult mit Hunderten von Knöpfen beherrscht den Raum, darüber steht der grünlich leuchtende Monitor des Musikcomputers. Keine Gitarre ist weit und breit zu sehen: "Rockmusik interessiert mich nicht mehr. Außerdem würde es lächerlich wirken, wenn ich mit 51 noch meine E-Gitarre schwingen würde." Mit dem Musikbusiness hat Zappa ohnehin abgerechnet. "Alles Plastik! Heute musst du ein Model sein und toll tanzen können, dann hast du einen Hit. Dank MTV können die Kids nur noch Musik sehen, aber nicht mehr hören." Trocken fügt er hinzu: "Kein Platz für mich. Meine Haare sind nicht telegen genug. Und die Produzenten wären ziemlich nervös, weil ich tatsächlich singe und spiele."

1988 machte er seine letzte Tournee (nach Europa) – und 400 000 Mark Verlust. Zu viel für den guten Geschäftsmann. Heute hockt er mit krummem Rücken über dem Computer und komponiert moderne Klassik, orientiert an Schönbergs Zwölftontechnik. "Meine derzeit größte Herausforderung", erzählt er, "ist ein zwanzigminütiges Stück für das Frankfurter Ensemble Modern." Die deutschen Musiker haben Zappa gerade besucht, um ihre Instrumentenpartien einzuspielen. Jetzt versucht er, daraus sein erstes klassisches Konzert zu kreieren. Uraufführung ist am 17. September in der Frankfurter Alten Oper.

E-Gitarre, Bass und Drums hört man im Hause Zappa nur noch, wenn Tochter Moon Unit oder die Söhne Dweezil, 22, und Ahmet, 17, üben. "Moon Unit möchte, dass ich auf ihrer neuen Platte noch einmal meine Gitarre spiele", berichtet Papa Zappa stolz. Das letzte Duett mit der Tochter war immerhin ein Top-Ten-Hit ("Valley Girl").

Sonst höre er aber keine Popmusik, erzählt Zappa immer wieder während unseres Gesprächs. Und Multimedia-Star Madonna? "Ihre Songs interessieren mich nicht. Aber ich habe großen Respekt vor ihr als Gesamtkünstlerin. Kein Popstar in Amerika hätte den Mut, auf seinem Video Masturbationsszenen vorzuspielen. Sie hat viele Tabus gebrochen. Dafür verdient sie Bewunderung."

Und Michael Jackson? Zappas Stimme schraubt sich empor in ungeahnte Höhen: "Wie kann man sich nur so etwas antun, sich sein Gesicht so zerschneiden zu lassen, all diese eigentlich nicht mehr menschenmöglichen Operationen machen zu lassen und dann zu schwören, man sähe immer noch so aus wie der kleine Negerjunge?" Ein Lachanfall durchschüttelt seinen Körper. Dann ein trockener Satz hinterher "Wahrscheinlich steht er immer noch unter Betäubung."

Ein Telefonklingeln unterbricht uns. Es ist Gail Zappa, 46, seit 1967 Franks zweite Frau, die neben dem Haushalt auch die Geschäfte führt. "Wir müssen Schluss machen, sonst wird mein Essen kalt. Und ich bin ziemlich hungrig", sagt Zappa und drückt mir die Hand. Dann watschelt er mit leicht gekrümmtem Rücken im Entengang die Treppe hinauf.

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