Heraushörbar

By Ingo Baron

Drums & Percussion, July-August 2021


Viele Drummer sind in Fusion- oder Progressive-Gefilden unterwegs, MORGAN ÅGREN hört man jedoch heraus. Geadelt durch Frank Zappa und viele mehr bewegt er sich in komplexesten musikalischen Zusammenhängen mit bemerkenswerter Leichtigkeit und großer Individualität. In deren Entwicklung spielten besondere Umständen hinein...

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Apropos Frank Zappa: Du durftest mit ihm als Zwanzigjähriger auf der Bühne stehen. Da dürftest du die Hosen ordentlich voll gehabt haben…

Ja, stimmt. Das Ganze kam eigentlich über Mats: Er hört Zappas Musik, seit er sieben Jahre alt war. Mats ist eh ein Sonderfall, denn er hörte schon als Zweijähriger zwischen seiner Kindermusik auch mal Sachen von Miles Davis. Als Zappa 1988 in Stockholm ein Konzert gegeben hat, mussten wir natürlich hin. Zu dieser Zeit hatten wir eine Band, die ausschließlich Zappas Musik gecovert hat. Weil Frank irgendwie davon gehört hatte, hat er uns zu seinem Konzert eingeladen und uns backstage gefragt, welche Songs wir denn spielen würden. Ich hatte eine Kassette mit Aufnahmen für ihn vorbereitet, unter anderem »T’Mershi Duween«, das wir auf irgendeinem Bootleg gehört hatten. Dann nahm Frank einen Stift und stellte die Setlist für den Abend zusammen: In der Mitte von »Big Swifty«, sagte er, gäbe es eine Passage, in der alles passieren könnte, und fragte, ob wir nicht »T’Mershi Duween« an dieser Stelle spielen wollten. Das alles passierte etwa eine Stunde vor der Show, und eine Möglichkeit für Soundcheck gab’s natürlich nicht; Stöcke hatte ich auch keine dabei. Es ging um einfaches Ja oder Nein – und wir waren verrückt genug, ja zu sagen. Frank meinte, wir sollen zu unseren Plätzen gehen, die Show hören und sobald »Big Swifty« angezählt würde, hätten wir noch etwa zehn Minuten, zur Bühne zu kommen, bevor er uns ankündige.

Und wie lief’s dann weiter ab?

Das Konzert selber, mein erstes Zappa-Konzert überhaupt, war natürlich für uns gelaufen, denn wir konnten an nichts anderes mehr denken als an »T’Mershi Duween« – und, klar, in dem Moment hast du mindestens die Hälfte des Songs vergessen: Ging dieser Part nun so oder so oder so?! Als wir dann am Anfang von »Big Swifty« mutig in Richtung Bühne gestiefelt sind, stellte sich uns erst mal ein Security-Mensch in den Weg. Glücklicherweise kam aber jemand, der uns tatsächlich in Empfang genommen hat. Das Problem war nur, dass ich, weil wir ja schon den ganzen Tag vor der Halle gewartet hatten – wir wollten schließlich zum Soundcheck, was irgendwie sogar geklappt hat –, nicht auf der Toilette gewesen war, und jetzt wurde es allerhöchste Zeit. Es waren aber nur noch wenige Minuten, bis wir auf die Bühne sollten. Also habe ich Gas gegeben und hörte Zappas Ankündigung, als ich gerade mein Geschäft erledigt hatte [lacht]. Ich erinnere mich, dass wir nie besser gespielt haben als in dieser Situation: Ich habe Mats zum Keyboard gebracht, mich zum Drumkit bewegt, ein Roadie hat mir noch rasch ein paar Sticks in die Hand gedrückt, und dann habe ich tatsächlich von Chad Wackerman übernommen [lacht]. Mats und ich haben alleine mit einer Improvisation angefangen, nach und nach ist die Band eingestiegen, und dann habe ich das Thema von »T’Mershi Duween« getrommelt. Unglaublich – und mit einem breiten Grinsen stand Zappa nur wenige Meter vor dem Drumset. Das gab mir Superpower! Auch bei seiner legendären Abmoderation hat er uns noch mal erwähnt. Das werde ich nie vergessen.

Dabei blieb es aber nicht, denn anschließend durftet ihr Zappa auch zu Hause besuchen?

Wir haben uns nach dem Konzert backstage noch mal getroffen und kurz gesprochen. Ich erinnere mich an eine wunderschöne Begebenheit: Frank wusste ja, dass Mats blind ist. Er sagte: »Du hast zu lange nur meine Musik gehört, jetzt musst du auch wissen, wie ich aussehe.« Mit diesen Worten nahm Frank Mats’ Hände, legte sie auf sein Gesicht und scherzte: »Vergiss die berühmte Nase nicht!«

Gab’s Pläne, zu einem späteren Zeitpunkt noch mal zusammenzuarbeiten?

Ja, tatsächlich. Wir haben Telefonnummern ausgetauscht. Es gab wohl einige Probleme in der Band, und Frank hätte unter anderem einen neuen Drummer und einen Keyboarder gebraucht. Also habe ich gewartet, ob er eines Tages anruft – was natürlich nicht passiert ist. Nach etwa zwei Jahren, in denen ich Briefe geschrieben hatte, habe ich in Zappas Office angerufen. Der Mann an der anderen Seite fragte mich, ob ich der Schwede sei, der mit Frank in Stockholm aufgetreten war. Das hat mich umgehauen, denn es waren schließlich zwei Jahre vergangen! Um es kurz zu machen, er hat uns eingeladen. Also habe ich ein Ticket gekauft, wir sind rübergeflogen und landeten in Zappas Haus.

Zu einer längerfristigen Zusammenarbeit ist es dann nicht mehr gekommen, weil Zappa kurze Zeit später gestorben ist.

Ja, aber ich habe kein schweres Gefühl dabei: Wir in Schweden leben auf der falschen Seite des Atlantiks, und die Chancen, jemanden wie Frank Zappa zu treffen, geschweige denn mit ihm zu spielen, sind derart gering, dass ich nur für alles, was passiert ist, dankbar sein kann. Die Erinnerungen an Frank als Mensch sind durch nichts zu ersetzen – und zumindest sind 1993 Aufnahmen und natürlich die für das Tribute-Album »Zappa’s Universe« entstanden. Es wäre genial gewesen, wenn’s weitergegangen wäre, aber heute bin ich in erster Linie dankbar für das, was passiert ist.

Hat die Zusammenarbeit dennoch Türen für später geöffnet?

Ja, und wir bekommen bis auf den heutigen Tag Anfragen für Zappa-Projekte. Wir sind überglücklich, zu den wenigen Auserwählten zu gehören, mit denen Frank spielen wollte.

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